Uelzener Kultur-Spuren

Kultur-Schamane Reinhard Schamuhn

Wer über Kultur in Uelzen redet, wird an Reinhard Schamuhn kaum vorbeikommen.  Am 1. Juli 2013 ist er ziemlich plötzlich und auch unerwartet verstorben. Er war ein Unikum, ein enfant terrible der Kultur in Uelzen. Er hatte mmer einen flotten Spruch auf den Lippen, besaß ein großes Herz für die Kleinkunst und die Blödelei. Für keine Aktion war er sich zu schade, wenn sie nur spektakulär genug war.

Mit einem Flohmarkt fing alles an. Er war es, der im April 1967 erstmals die Hannoveraner  nach dem Vorbild des Pariser „marché aux puces“ zu einem Trödel-Treff am Leine-Ufer zusammentrommelte – der Altstadt-Flohmarkt in Hannover war geboren. Zum ersten Mal in Deutschland gab es einen Straßenhandel mit gebrauchten Dingen. Mit Dingen, die für denjenigen, der sie anbot, keinen großen Nutzen mehr hatte, für andere hingegen ein Objekt der Begierde sein könnten. Mit vielen weiteren Ideen, die er  – mitunter auch gegen den Willen von Behörden und weniger experimentierfreudigen Vertretern der „Gesellschaft“ verwirklichte, etablierte sich Reinhard Schamuhn als Kultur-Schamane. So spielte  er zum Beispiel für die Fische im Maschsee in Hannover unter Wasser das Forellenquintett,  heiratete den Eiffelturm, traute sich, in Uelzen eine Kultur-Hochzeit mit der Kleinkunst-Ikone Monella Caspar einzugehen und ließ im Oldenstädter See ein U-Boot tauchen. Er schuf mit dem „Kreativen Speicher“ an der Rosenmauer sein eigenes Denkmal, ergänzte dies später um das „Neue Schauspielhaus“, einer Spielstätte der besonderen Art für die kleine Kunst, einer „Brettl-Bühne“ im wahrsten Sinne des Wortes. (Neues Schauspielhaus Uelzen | Wir machen Kleinkunst groß… (neues-schauspielhaus-uelzen.de) Sehenswert und ein Hingucker allemal ist die Fassade des Schamuhn’schen Musentempels. In Anlehnung an Uelzens Expo-2000-Projekt, den Hundertwasserbahnhof, installierte Reinhard Schamuhn als Krönung der Fliesen-und Spiegel-Fassade „seines“ Theaters Wasserhähne an der Front. Zwar sprudeln hier nicht hundert Wassser … wie viele es sind, will ich hier nicht verraten … zählt selber.

Er hatte noch viel vor. Noch im Frühjahr 2013 war sich Reinhard Schamuhn anlässlich des 25-jährigen Jubiläums seines Kreativen Speichers sicher, Johannes Heesters Konkurrenz zu machen, der ja noch mit 108 Jahren auf der Bühne gestanden habe. Mit schelmischem Lächeln unterstrich er diesen Vorsatz und fügte an:  „Ich bin ein Schamane, ein Überlebenskünstler. Aus“. Doch leider war Reinhard Schamuhn kein so langes Bühnenleben vergönnt – er starb  im Alter von 73 Jahren.

Ihm zum Gedenken trage ich hier einige Presse- und andere Stimmen zu Schamuhns Tod 2013 zusammen:

„Er war für mich die Wiedergeburt des Uhlenköpers, der den Uelzenern Eulen verkauft hat, und die haben sie gerne genommen“, sagt der Künstler Georg Lipinsky betroffen, ein Weggefährte, der auch Schamuhns frühere Aktionen in Hannover verfolgt hat. „Er war so etwas wie ein Motor, der viele Dinge anbot und machte und sich selber nie ernst genommen hat, sich nie gescheut hat, ins Fettnäpfchen zu treten und zu provozieren – ein ,Uhlenspiegel’.“

Schamuhns Mitarbeiter Jens Kunze berichtet, dass der 73-Jährige in den vergangenen Tagen stark unter gesundheitlichen Problemen gelitten habe. Gestern hat Kunze begonnen, die anstehenden Veranstaltungen abzusagen. Für Anfang August war eine Feier anlässlich des Jubiläums organisiert. Schamuhn habe dafür 500 Einladungen verschickt – ein Datum jedoch noch nicht festgelegt. „Es ist eine große Katastrophe, weil er noch so viel vorhatte“, erklärt Kunze.

„Menschen wie Reinhard gibt es wenige auf der Welt“, teilen Benny Hiller und Monella Caspar aus Berlin mit, die oft als „Schwarzblond“ im Schauspielhaus auftreten. Sie schätzen besonders „seinen Mut, seine Großzügigkeit, seine Warmherzigkeit, seine verrückten Ideen, an denen er gern alle Menschen in seinem Umfeld teilhaben ließ“. Eine dieser Ideen war die Kultur-Hoch-Zeit 2009 mit Monella Caspar: „Als ich diesen wunderbar verrückten ,Schamanen’ näher kennengelernt habe und er mir einen Heiratsantrag machte, habe ich keine Sekunde gezögert. Dieser Mann war eine absolute Bereicherung für mein Leben … für Uelzen … für die Welt.“

Auch Kulturmanagerin Birte Ebermann bedauert den Verlust. „Ich habe ihn sehr geschätzt, weil er so unverbrauchte Kunst, an jeder Konvention vorbei, gemacht hat“, erklärt sie. „Kleinkunst und Aktionskunst wusste man bei ihm in guten Händen und konnte sich dem klassischen Theater verschreiben.“ Das bestätigt Jürgen Markwardt, damals  Erster Stadtrat, heute Bürgermeister der Hansestadt Uelzen : „Reinhard Schamuhn war alles andere als bequem, aber gerade das zeichnete ihn aus“, berichtet er. „Mit seiner Person, seinem Schauspielhaus und seinen öffentlichen Aktionen hat er die Stadt belebt und auch herausgefordert – jede seiner außergewöhnlichen Unternehmungen war ein Unikat, das Uelzen eine ganz besondere Note verliehen hat.“

Wann immer der Narr von Gottes Gnaden, so wurde Schamuhn in Presseberichten immer wieder genannt, eine seiner Aktionen plante, war der Schauspieler und Autor Georg Menro nicht weit. Er verfasste über die Abenteuer des kreativen Kopfs ein Buch mit dem Titel „Das verrückte Huhn“. Menro würdigte gestern Schamuhn nicht nur als Kulturschaffenden, sondern auch als Freund: „So ein genialer Typ, so ein guter Freund; ich habe in meinem Leben keinen Menschen mit einem größeren Herzen kennengelernt. Er war einfach nicht von dieser Welt.“

Über etliche der Veranstaltungen, die auf Reinhard Schamuhns Kleinkunstbühne stattfanden, habe ich für Uelzens Heimatblatt, die AZ. berichtet (Mein Uelzen – Kunst & Kultur, wie es im Blatte stand – vinothek-gutenberg))

Ein kleiner Bilderbogen soll dies Kapitel Reinhard Schamuhn und sein Neues Schauspielhaus abschließen: